Röntgenlauf 2013 – die Marathonversion

Letztes Jahr bin ich hier in Remscheid dem Halbmarathon gelaufen und fand den, trotz eingefangener Bänderdehnung, so klasse, dass ich mir vorgenommen habe im Folgejahr den Marathon und 2014 hier den ganzen Röntgenlauf über 63 Kilometer zu absolvieren.

Dementsprechend war das hier mein geplantes Herbsthighlight mit einer Zielzeit von unter 3:50 h, wenn alles richtig gut lief vielleicht sogar unter 3:45…

Aber das war ein Satz mit X. Das Ergebnis lag noch nicht einmal mehr unter vier Stunden, sondern mit 4:12 deutlich darüber. Gründe fallen mir eine ganze Reihe dazu ein – Gründe, die mir auch schon im Vorfeld teils klar waren und mich die Zahlenspielereien auch nur noch im Hinterkopf behalten liessen. Da wäre zum einen der Schlunz, zuviel Schlemmereien und mindestens 4 Kilo zuviel auf den Rippen, gefolgt von mangelhafter Vorbereitung und vielleicht waren 2 Marathon- und ein 56-Km-Lauf in 10 Wochen auch einfach zuviel. Ursachen. Kann man drüber nachdenken, aber kein Grund zu hadern, es sind nur Läufe und der Nächste kommt ganz sicher…

So, Ausreden abgehakt, kommen wir zum eigentlichen Rennen.

04:00 Uhr, ich werde wach – nicht weil der Wecker klingelt, sondern der Regen der über mir versucht das Velux-Fenster zu zerdeppern reisst mich aus dem, wie üblich vor solchen Läufen, leichten Schlaf.

Also noch ein Stündchen weitergedöst, bis es um 05:00 Uhr tatsächlich aufstehen heisst. Da ich meine Siebensachen am Abend vorbildlich bereit gelegt habe, läuft alles wie geschmiert und recht geräuschlos ab. Um viertel nach sechs starte ich gen Remscheid. Der Regen hat aufgehört, die Bahn ist frei und ich kann rollen lassen. Vielen Dank an dieser Stelle an WDR 2, die mit Axel F und Smoke On The Water direkt zum Start zwei sehr willkommene Titel spielen. Das Thermometer zeigt bereits jetzt um halb sieben 16° Grad, das wird wohl eine noch wärmere Geschichte als gedacht.

Für 07:00 Uhr bin ich mit Jens Tekhaus zu Kaffee und Brötchen im Sportzentrum Hackenberg, dem Startort verabredet. Um 06:45 Uhr rolle ich auf den Parkplatz, und zwei Autos neben mir steigt Jens gerade aus. Perfektes Timing.

Wir holen unsere Startunterlagen, grüssen ein paar bekannte Gesichter unter anderem vom LT Bittermark, bevor wir uns aufmachen und in der zur Frühstückshalle umfunktionierten Sporthalle ein paar halbe Brötchen erlegen. Auf dem Weg dorthin treffe ich auch noch kurz Kai aus Halden, den ich danach aber aus den Augen verliere und heute leider nicht wieder treffe. Jens nimmt mich mit an den Tisch der Endorphinjunkies, einem fröhlichen Haufen, der gerade eine Flasche Prosecco köpft. Natürlich nur aus feierlichem Anlaß, denn eine der Damen läuft heute ihren 50. Marathon. Herzlichen Glückwunsch!

Hier sitze ich anscheinend wieder nur unter Ultra-Läufern und man versichert mir, die zweiten 21 Km wären die schlimmsten und danach wären die letzten 21 Km immer drin…

Soso, nicht dass es mich dabei nicht doch schon wieder reizt… – aber mir ist auch klar, dass ich wahrscheinlich nicht nach 42 Km sagen werde, „Hey cool, ich bin so fit, ich hänge noch einen Halbmarathon hinten dran!“. Zumindest nicht, wenn ich versuche den Marathon in einer guten Zeit zu laufen. Beim Start müsste ich mir darüber klar sein, ob ich es locker angehe um 63 Km in Angriff zu nehmen, oder ob ich alles Pulver auf 42 Km verballer. Aber es kommt ja sowieso anders…

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Pünktlich um kurz vor halb neun reihen wir uns in die Startermenge ein. Die Temperatur liegt immer noch konstant bei ca. 16-17° – das ist etwa 17° wärmer als im letzten Jahr. Mann, was haben wir da beim Start gefroren, in langen, warmen Sachen mit Mütze und Handschuhen.

08:30 Uhr – PENG! – pünktlicher Start. Zuerst folgt eine Runde durch Lenneps bergische Altstadt. Über Kopfsteinpflaster steil hinab in den Ortskern und gleiche Strecke wieder hinauf. Da ich die Strecke aus dem letzten Jahr bereits kenne schockt mich das nicht und ich nehme souverän Fahrt auf.

Im Gegensatz zu den letzten Läufen starte ich auch nicht vorsichtig und verhalten. Ich will die erste Hälfte schneller laufen, als den HM im letzten Jahr – und muss es auch, wenn die Zahl in meinem Hinterkopf real werden soll. Es läuft super. Ich lasse mich genussvoll mitziehen, behalte aber dabei die Uhr im Auge. Ich kenne das Stück, an dem sich das laufen aufgrund der Steigung und des Untergrundes nicht lohnt, lasse auf den langen bergab Passagen gut rollen und erkenne auch die Stelle wieder, an der ich im letzten Jahr dank eines Steines unter laub umgeknickt, gestürzt bin und mir eine Bänderdehnung zugezogen habe. Diesmal laufe ich halblinks aussen statt rechts am  Rand und passiere unbeschadet diesen Wald.

Kurz vor dem Halbmarathonziel schliesse ich zu einem anderen Läufer auf, der anscheinend denkt ich mache ihm eine Platzierung streitig und Gas gibt. Ich kann mich gerade noch zügeln, dass Tempo noch ein wenig zu forcieren um ihn zu ärgern und schon nach wenigen hundert Metern trennen sich unsere Wege. Bis hierher läuft alles spitze. Ich fühle mich gut und denke so bei mir, wenn heute hier das Ziel gewesen wäre, hätte ich noch richtig Luft gehabt.

Aber nun wird es das erste Mal ein Stück einsam, an das Duo vor mir ist kein rankommen und von hinten kommt auch nichts. Dazu wird die Etappe im Profil unangenehmer. Es ist ein ständiges auf und ab.

Und hier bekomme ich bei Kilometer 28 das erste Mal ein Problem. Der linke Wadenmuskel zuckt und boxt. Noch kein harter Krampf, aber die Anzeichen sind da. Das habe ich so früh auf langen Läufen noch nie gehabt. Ich bin aber auch noch nie die erste Marathonhälfte gelaufen, um meine alte HM-Zeit zu unterbieten. Ich versuche gleichmässiger zu laufen und hoffe, der Muskel vergisst seinen Ärger. Tut er aber nicht, im Gegenteil, das andere Bein gesellt sich dazu. Ich nehme also etwas Tempo raus, gehe an den stärkeren Steigungen und bleibe auch kurz an den VP´s stehen um in Ruhe zu trinken und zu essen – stets darauf bedacht zwar vorwärts zu kommen, dabei aber immer volle Krämpfe zu vermeiden.

Höhenprofil RL

Ich werde nun auch von einer ganzen Reihe anderer Läufer eingesammelt und einige sehe ich auf den nächsten Kilometern immer wieder. Ich kämpfe wohl nicht alleine mit Problemen. Ein paar Kilometer schliesse ich mich mit einem Bauunternehmer aus Bielefeld zusammen, der erst in der letzten Woche am Rothaarsteig gelaufen ist und nun Akku-Probleme hat.

Wider erwarten kommt während einer Gehpause noch ein Endorphinjunkie von hinten, muntert mich auf und zieht mich ein ganzes Stück mit.

Ich finde gerade wieder in einen Trott, meine Uhr hat gerade die 40 Km registriert und ich unterhalte mich trabenderweise mit einem ebenfalls Leidgeprüften, da taucht ein Schild mit dem Hinweis Ziel 1000m auf. WTF? Vom Rand kommt von ein paar Senioren der Kommentar „Guck ma, die schnacken ja noch immer!“ (wenn die wüssten). Wir schnacken auch einfach entspannt weiter, bis über die Ziellinie hinaus, beide haben wir heute unser eigentliches Ziel verfehlt, aber wir sind drin und nehmen´s gelassen. 4 Stunden und 12 Minuten sagt die Uhr. Auf der zweiten Hälfte habe ich über eine halbe Stunde verloren. That´s it.

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Übersicht Röntgenlauf

 

Ich sammle meinen Kleiderbeutel ein, ziehe mir ein trockenes T-Shirt und eine Jacke über, verschlinge eine köstliche Marathonschnecke (just like Rosinenschnecke, aber mit Sesam & Cranberries) und 2 Becher Tee und trolle mich zum Bus, der mich zurück zum Hackenberg bringen soll.

Die gesamte Warte- und Fahrerei dauert über eine Stunde und wir flachsen, dass man fast besser die letzte Etappe noch gelaufen wäre. Leider kommt es noch zu einem unschönen Ereignis, als einem Laufkollegen während der Fahrt der Kreislauf zusammen bricht. Eigentlich kein Wunder, bei ca. 80 Sportlern die gerade einen Marathon gelaufen sind ist die Luft im Bus zum schneiden dick und geradezu bestialisch. Der Busfahrer schnallt leider nicht, was gerade passiert – aber irgendwann stoppt er dann doch und öffnet die hintere Tür, so dass der Mann nach draussen an die frische Luft getragen werden kann. Zum Glück war es tatsächlich nur der Kreislauf und der Kollege stabilisiert sich draussen und wir können (mit ihm) die Fahrt fortsetzen.

Am Sportzentrum begebe ich mich in die Umkleide, ungeduscht mag ich nicht heimfahren und meine Wurst will ich auch noch. In der Dusche sind bereits ein paar Ultras, die das Marathonziel mit einer Durchgangszeit von 3:20 passiert haben. Und da imho der Jens nicht weit dahinter sein kann – wenn er nicht schon durch ist – begebe ich mich anschließend zum Zieleinlauf der Ultraläufer.

Und wie schon am Morgen stimmt das Timing. Ich stehe vielleicht zwei Minuten im Zielbereich, als der Moderator Jens ankündigt. Wir trinken noch gemeinsam ein Alkoholfreies, ich erfahre, dass er ebenfalls mit Krämpfen kämpfte und dann machen wir uns auf dem Heimweg.

Die Landschaft war toll, die Verpflegung gut, die Orga Spitze und das Wetter mit 16° und 2-3 erfrischenden Schauern sehr angenehm. Es hätte der perfekte Lauf sein können, wenn die Waden micht nicht geärgert hätten. Was solls? Dieses Jahr bin ich den Marathon beim Röntgenlauf angegangen mit dem Zwischenziel auf der Hälfte die Halbmarathonzeit aus dem letzten Jahr zu unterbieten. Nächstes Jahr nehme ich dann die 63 Km mit dem Vorsatz auf den ersten 2/3 unter der 4:12 von diesem Jahr zu bleiben… 😉

Daheim ist keiner, die Mädels sind Drachen steigen lassen – aber auf dem Herd stehen Tortellini, im Kühlschrank kaltes Bier und zum Nachtisch kalte Schnauze. Ab auf die Couch.

Das waren die Marathonläufe für dieses Jahr. Kurze Zeit habe ich noch mit dem Siebengebirge geliebäugelt, aber ich denke ich habe genug für 2013. Ich freue mich darauf, auch einige Zeit wieder mehr nach Lust und Laune zu laufen, habe mir vorgenommen ein paar Läufe mit Cachen zu verbinden, mehr Fahrrad zu fahren und meinem Rücken auch mal wieder ein wenig Krafttraining angedeihen zu lassen. Und nebenbei kann ich mir ja schonmal einen Marathon für das Frühjahr raussuchen.

Any ideas? Am liebsten mit Landschaft, auch gerne mit ein paar Höhenmetern…

 

Noch ein paar Zahlen und die Streckenkarte:

Karte_Röntgenlauf

Runden_RL

 

Übersicht2_RL

 

urkunde röntgenlauf

One Reply to “Röntgenlauf 2013 – die Marathonversion”

  1. Schön geschrieben!
    Die „Leiden“ auf der 2. Hälfte kann ich noch gut nachvollziehen (bin da vor ein paar Jahren auch gelaufen).
    Aber so hat man wenigstens Zeit sich die Müngstener Brücke anzusehen. 😉

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